Einblick in die Welt der Bühnentanzenden HF
Tanz kann viele Bedeutungen haben – als Hobby, als Leidenschaft, als Ausdrucksweise. Tanz ist aber auch eine Berufung. So auch für HF-Absolventinnen und -Absolventen der Fachrichtung Bühnentanz. Doch weshalb ist eine Tanzausbildung auch ein HF-Bildungsgang? Reicht es nicht, einfach gut tanzen zu können?
von Kay Uehlinger
Selbstmanagement und Selbstkompetenzen
«Bühnentanzende HF bringen viel mehr mit. Denn nebst Tanzen ist weit mehr nötig, um in der Kunstwelt eine erfolgreiche Karriere hinzulegen», erzählt uns Frank Rutishauser, Leiter der Höheren Fachschule ZUB – Tanzwerk 101. Als Grundlage für jeden angehenden professionellen Bühnentanzenden gelte das Beherrschen verschiedener Tanztechniken und -stile sowie die Fähigkeit, sich damit künstlerisch auszudrücken. Mann müsse sich kreativ mit in den Entstehungsprozess eines Tanzwerkes einbringen können und sich nicht nur als Instrument des Choreografierenden verstehen, sondern als aktives Mitglied einer konstruktiven Zusammenarbeit.
Das Selbstmanagement und die Selbstkompetenzen bei ausgebildeten Bühnentanzenden HF seien sehr hoch. «Sie können ihr Selbst- und Aussenbild richtig beurteilen und einschätzen.» Das fordere eine hohe Bereitschaft und grosse Flexibilität, immer wieder die eigenen, sehr persönlichen Ausprägungen, Talente und das Potenzial selbstständig zu verbessern und zu vertiefen.
Laut Rutishauser sind Bühnentanzende HF geschult im Umgang mit sozialen Medien und wissen, welche Möglichkeiten man daraus ziehen kann, wie man sich vernetzt und worauf man achten soll. «Sie verfügen über ein breites Wissen in Anatomie, Physiologie, Tanzgeschichte und Englisch. Englisch ist die Sprache im Tanz», so Rutishauser. Es spiele keine Rolle, ob man sich in der Schweiz oder im Ausland befinde. «Selbst der Unterricht wird in englischer Sprache abgehalten. Tanz ist eine globale Sprache und die Welt ist eine einzige Bühne», sagt Rutishauser. Schliesslich hätten sich Bühnentanzende HF auch weltweit zu bewerben.
Weiter erzählt Rutishauser, dass Bühnentanzende HF wissen, wie sie sich weiterzubilden haben und dass sie sich stets mit lebenslangem Lernen beschäftigen müssen. «Sie können andere Tanzstile in ihr Repertoire aufnehmen und haben einen Weitblick über aktuelle Choreografien, aber auch über solche aus der Tanzgeschichte, um diese einzubeziehen und solche mitgestalten zu können. Zudem würden sie täglich mehrfach die Techniken und Stile wechseln, aus einer klassischen Ballettlektion in ihre Sneakers springen und sich anschliessend am Boden verdrehen, um sich dem Breaking zu widmen. Danach würde barfuss in zeitgenössischen, schwingenden und erdigen Bewegungen der Raum erobert werden. Dies sei ein täglicher Prozess von fünf bis sechs Stunden intensivem physischen, geistigen sowie emotionalen Trainings. «Recherchiertes und Gelerntes geben sie weiter und nehmen somit auch eine Führungsrolle im künstlerischen Bereich ein.» Dazu würden ebenfalls Planung und Realisierung von Bühnenprojekten dazugehören; von Vermarktung über Kontakte in die Medienwelt bis Evaluation und Abschluss.
Ohne Netzwerk keinen Erfolg
Damit Bühnentanzende HF Erfolg im Berufsleben haben können, sei es unabdingbar, ein Netzwerk zu besitzen. «Wenn jemand gut ist, bringt ihm das nichts, wenn die Person kein Netzwerk hat oder nicht weiss, wie es zu aktivieren ist. Auch wenn das Arbeitsumfeld der Bühnentanzenden HF breit abgestützt ist, gibt es immer mehr Nachfrage als Angebote und deshalb ist es wichtig und ein Vorteil im Berufsleben.» Wie Rutishauser erklärt, wird dieses Netzwerk bereits während des Studiums aufgebaut, damit sie in der Berufswelt ein intaktes Netzwerk nutzen können.
Zu finden seien Bühnentanzende HF in Theatern, aber auch in Eigen- und freischaffenden Produktionen. Ein grosser Teil würde sich auf dem internationalen kommerziellen Markt bewegen. Die Arbeitsbereiche befänden sich selten in der Schweiz, die nur einen sehr kleinen Markt aufweise.
HF-Abschluss als Grundstein
«Im Ausland ist der HF-Abschluss nicht bekannt, aber diesen Anspruch haben wir auch nicht», erklärt Rutishauser. Die internationale Anerkennung sei allerdings sehr wichtig. Es sei schwierig, den Bildungsgang HF im Ausland zu erklären. «Die meisten wollen einfach wissen, ob es ein Bachelor-Abschluss ist oder eben nicht.» Deshalb arbeitet das Tanzwerk 101 mit einer Universität zusammen, um den Absolventen auch einen Bachelor anbieten zu können. Dafür sei ein Zusatzsemester mit Bachelorarbeit zu absolvieren. «Dieser ist international anerkannt und damit können sich Absolvierende besser im internationalen Markt positionieren.» Dennoch: «Die HF ist das Herzstück und der Grundstein für den Bachelor.» Der HF-Abschluss stehe in sich selbst sehr zentral und der Bachelor sei nur das herzige «Beigemüse», denn damit lasse sich auch im internationalen Markt bestehen. «Würde die Schweiz den HF-Diplomierten einen Bachelor ausstellen, würde es dieses Verfahren sehr vereinfachen.»
Herzstück ist die Integration in die Schweizer Bildungssystematik
Professionelles Tanzen ist nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich. «Nach der Karriere ist Konversion angesagt. Viele wagen den Schritt in den Bereich Gesundheit, bildende Kunst, Design etc.» Deshalb sei die Integration des HF-Abschlusses in die Schweizer Bildungssystematik das A und O.
Aus der Sicht eines Absolventen
Muhammed Kaltuk ist HF-Absolvent, Zeitgenössischer und Urbaner Bühnentanz an der Höheren Fachschule ZUB. Er findet, dass es viele und verschiedene Möglichkeiten gab, Fuss zu fassen. Allerdings: «Als Tänzerin oder Tänzer in der Schweiz ist es allgemein schwierig, besonders in der aktuellen Situation.» Das wisse er deshalb so gut, da er selbst gerne in der Schweiz bleiben wollte. «Für mich war es sehr schwer, nicht, weil es keine Möglichkeiten gab, sondern weil ich persönlich nach etwas gesucht habe, was mit meiner Körpersprache übereinstimmte.» Seine Lösung bestand darin, bereits während der Ausbildung selbst zu choreografieren und seine eigene Company (Company MEK) aufzubauen, mit dem Ziel, seine Qualitäten auszuüben und gleichzeitig zukünftigen Tänzerinnen und Tänzern in der Schweiz eine Möglichkeit anzubieten, den Start ins Berufsleben zu vereinfachen. Dies trägt bereits Früchte. Seine Company gewann einen internationalen Choreografie-Preis und eine eigene Tournee sei auch bereits geplant – mit sieben von acht Tänzern, die alle Absolventen der HF ZUB sind.
Nicht nur Anschluss finden, auch anderen Herausforderungen hatte Kaltuk sich zu stellen. «Nach der HF ZUB, mit einem sehr strengen und effektiven Stundenplan, fiel es mir schwer, die gleiche körperliche Stärke aufrechtzuerhalten.» Nach einiger Zeit fand er mit einem eigenen Trainingsablauf wieder in den Rhythmus. Eine andere Herausforderung war für ihn, zusätzliche Kontakte zu knüpfen und das eigene Netzwerk zu erweitern. «Für mich war es anstrengend und viel Arbeit, obwohl ich es sehr interessant finde, neue Bekanntschaften zu schliessen. Ich denke, für Personen, welchen das Networking nicht einfach fällt, ist das eine zusätzliche Herausforderung. Es braucht einfach Zeit und Geduld.»
Das Studium habe sich seiner Meinung nach sehr gelohnt. «Mit solch einzigartigen Gastdozenten zu arbeiten, gleichzeitig auch mit den Hauptdozenten Themen, Stücke, Denkweisen und Persönliches zu teilen, ist einzigartig und sehr inspirierend. Auch die Diversität der Stile im Tanz zu lernen und zu vertiefen sowie deren Geschichten kennenzulernen. Die Schule hat mich sicherlich geformt und beeinflusst. Sie hat mir geholfen, meine Körpersprache und meine Kunst zu entwickeln und zu festigen. In meinen Augen ist sich selbst zu finden ein wichtiger Teil eines Künstlers und die HF-Ausbildung hat mich sehr weit gebracht.»
Serie: «Vorstellung von Fachrichtungen HF» Es gibt über 55 HF-Fachrichtungen. Die weniger präsenten stellen wir in den nächsten Bulletins näher vor.