Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung sind der Schlüssel zum Erfolg
Carmine D’Ambrosio berichtet über seine beruflichen Entwicklungen, agile Formen der Zusammenarbeit mit Einbezug seiner Mitarbeiter und darüber, dass es keine Rückkehr in die Zeit vor Corona gibt.
Mit Carmine D’Ambrosio* sprach Jsabelle Tschanen
Carmine D’Ambrosio, die HEFTI. HESS. MARTIGNONI. (HHM) ist ein Elektro- und Gebäudetechnik-Ingenieurunternehmen in der Schweiz mit über 220 Elektro-, Gebäudetechnik-, Brandschutz- und BIM-Spezialisten. Sie sind Geschäftsleiter der HHM Aarau. Was sind Ihre Hauptaufgaben?
Wir besetzen die Funktion der Geschäftsleitung in der HHM Aarau in einer Co-Funktion. Als Geschäftsführer sind wir für sämtliche Belange unserer Niederlassung verantwortlich, um die Vorgaben und Ziele des Verwaltungsrates umzusetzen. Die Aufteilung der einzelnen Aufgabenbereiche haben wir nach BSC (Balanced Scorecard) geregelt. Unser Standort bietet momentan «nur» die Fachdisziplinen «Elektro» und «Brandschutz» an. Als ausgebildeter Elektrotechniker HF betreue ich zusätzlich kleinere Projekte, unterstütze und coache jüngere Mitarbeiter in ihren Projekten und in der Administration.
Aktuell sind wir an der Umsetzung der neuen Strategie für unseren Standort: Wir rücken den Kunden noch stärker in den Mittelpunkt unserer Tätigkeiten und werden ihm alle Dienstleistungen im Bereich der Gebäudetechnikplanung, also auch HLKS-Planungen, anbieten.
In den letzten beiden Jahren haben wir uns, zusammen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz, mit agilen Arbeitsmethoden und Zusammenarbeitsformen auseinandergesetzt und dem Standort eine neue Organisationsform mit weniger Hierarchiestufen und mehr Partizipation aller Mitarbeiter gegeben.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren im Geschäftsleben verändert?
Meine persönliche Veränderung mit den damit verbundenen Entwicklungen im Unternehmen vom Projektleiter über den Bereichsleiter zum Geschäftsleiter, mit den wechselnden Anforderungen an meine Aufgaben und Verantwortungen. Früher war ich hauptsächlich für die technische Umsetzung in Projekten verantwortlich. Heute liegen meine Aufgaben als Geschäftsleiter in der Personalführung, der Kundenbetreuung und in der finanziellen Verantwortung für unseren Stand- ort. Zudem stelle ich fest, dass gerade im Bereich der Personalführung grosse Veränderungen stattfinden. Die partizipative Führung ist für beide Seiten nicht so einfach – das Loslassen und Vertrauen waren Lernprozesse.
Die zweite Veränderung betrifft die ganze Digitalisierung unserer Planungsbranche. Mit der BIM-Methode (Building Information Modeling) haben wir ein neues Werkzeug erhalten, das wir immer noch am Erlernen sind. Wir haben bereits Dutzende solcher Projekte realisiert, lernen aber immer noch täglich Neues dazu. Mit BIM hat sich auch unsere interne und externe Zusammenarbeit stark verändert; das papierlose Büro ist inzwischen Realität. Das Zusammenarbeiten im gleichen Planungsmodell – Videokonferenzen usw. – fordert von allen Beteiligten eine grosse IT-Affinität und ein Loslassen von alten bekannten Prozessen. Dies wird sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter beschleunigen.
Was hat die Covid-19-Krise für die Geschäftsführung bedeutet?
Es war brutal, zu erfahren, wie schnell sich die Situation verändert hat. Wir sind sehr gut ins Geschäftsjahr 2020 gestartet, die Auftragsbücher für das ganze Jahr waren voll. Die Unsicherheit durch den Lockdown war sehr gross. Glücklicherweise haben wir die Situation sehr gut überstanden; unsere Auftraggeber haben praktisch keine Projekte gestoppt oder nach kurzer Zeit die Planung wieder fortgesetzt. Somit erlitten wir auf der wirtschaftlichen Seite fast keinen Schaden.
Intern hat sich gezeigt, dass unser Unternehmen mit solchen Situationen sehr agil umgehen kann. Arbeiten von zu Hause aus war ohne Probleme möglich. Die Hardware war vorhanden und die Software hat einwandfrei funktioniert. So haben wir uns nach dem Lockdown Gedanken gemacht, was wir aus dieser Zeit mitnehmen wollen, und wir haben mit den Mitarbeitern ein Manifest erarbeitet mit Leitsätzen für unsere künftige Zusammenarbeit. Für HHM gibt es keine Rückkehr in die Zeit vor dem Lockdown.
Welche Veränderungen werden Ihrer Ansicht nach bestehen bleiben, gibt es neue Ansprüche an die Mitarbeiter?
Ich erlebe, dass gerade das Homeoffice sich auf allen Stufen durchsetzt. Wir bei HHM können seit Jahren im Homeoffice arbeiten, es wurde aber nur sehr selten genutzt – heute ist das anders. Einzelne Mitarbeiter sind praktisch nur noch einen Tag pro Woche im Büro. Dies zieht für den Mitarbeiter, aber auch für seine Führungsperson grosse Veränderungen nach. Aktuell machen wir uns viele Gedanken, wie die Führung dieser Mitarbeiter für alle befriedigend gestaltet werden kann. Ich glaube, die Unternehmenskultur, das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung aller, wird der Schlüssel zum Erfolg sein.
Sie haben die Lehre als Elektroplaner absolviert und kurz danach das HF-Studium Elektrotechnik in Angriff genommen. Was waren Ihre damaligen Überlegungen?
Als ich von der Baustelle als gelernter Elektroinstallateur ins Büro gewechselt bin, um die Zusatzlehre als Elektroplaner zu beginnen, habe ich rasch erkannt, dass für weitere Karriereschritte zusätzliche Ausbildungen hilfreich sind. So habe ich mir selbst einen Karriereplan erstellt und mit meinen Vorgesetzten die nächsten Ausbildungsschritte definiert. Das HF-Studium war durch den Dualaufbau (Praxis/Ausbildung) der optimale Weg, meine Ziele zu erreichen. Erleichternd war, dass ein sehr guter Freund die Ausbildung mit mir absolviert hat.
Was hat Ihnen dieses Studium gebracht?
Das Studium hat mich gelehrt, mich auf Ziele zu fokussieren und Herausforderungen strukturiert anzugehen. Gerade für die Diplomarbeit war dies eine wichtige Erkenntnis. Sehr spannend fand ich auch Unterrichtsfächer, wie beispielsweise Fachwerkberechnungen, die keine Berührungspunkte zu meinem Job hatten.
Und anschliessend schlossen Sie die Weiterbildungen NDS-Betriebswirtschaft HF und EMBA FH ab. Welche Türen wurden dadurch zusätzlich geöffnet?
Ich wollte mich vor allem betriebswirtschaftlich weiterbilden und auf künftige Rollen vorbereiten, darum habe ich das NDS HF absolviert. Ich habe aber auch erfahren, dass die HF-Abschlüsse bei vielen Arbeitgebern und auch Bauherren nicht den gleichen Stellenwert wie ein FH-Abschluss haben. Darum habe ich mit 40 Jahren noch das EMBA FH besucht und erfolgreich abgeschlossen. Ich glaube, dass mir erst dieser Abschluss die Türe zur Geschäftsleitung geöffnet hat.
Wie erhalten Sie Ihre Work-Life-Balance?
Schwierige Frage. Ich behaupte von mir, dass ich meine Work-Life-Balance im Griff habe. Dabei hilft, dass ich sehr schnell abschalten kann, sei es mit Musik oder einem feinen Essen. Etwas Sport (Biken, Wandern und Skifahren) mache ich je nach Stimmung auch regelmässig. Auch sehr hilfreich ist, dass meine Partnerin in einer ähnlichen Rolle tätig ist und wir uns bei Problemen austauschen und gegenseitig coachen können.
Sie sind seit 2003 Mitglied in unserem Verband. Warum braucht es Ihrer Meinung nach den ODEC?
Weiterhin spüre ich, dass der HF-Abschluss in der Wirtschaft nicht den Stellenwert hat, den er verdient hätte. Gerade hier ist es wichtig, die Kräfte zu bündeln und als Verband für eine Verbesserung der Situation zu kämpfen. Zudem bin ich ein begeisterter Leser des ODEC-Bulletins.
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Für die berufliche Zukunft wünsche ich mir selbstverständlich glückliche Kunden und Mitarbeiter sowie viele erfolgreiche Projekte. Ich hoffe, die Investoren und Auftraggeber bleiben auch in dieser unsicheren Corona-Zeit zuversichtlich und investieren weiterhin in den Standort Schweiz.