Wie beeinflusst die Digitalisierung den Bedarf an Aus- und Weiterbildungen?

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Dieser Beitrag zeigt aus Sicht der Studierenden und Absolvierenden HF, inwieweit Aus- und Weiterbildungen notwendig sind, um den durch die Digitalisierung entstandenen Herausforderungen zu begegnen.

Von Thomas Bolli, Filippo Pusterla, Ursula Renold**

Die letzten, von der Covid-19-Pandemie geprägten Jahre haben die Arbeitsbedingungen substanziell verändert. So hat zum Beispiel Home-Office zugenommen.¹  Eine solche Veränderung der Arbeitsgewohnheiten aufgrund der Digitalisierung ist mit einem zusätzlichen Bedarf an Aus- und Weiterbildung verbunden, da neue Technologien und Programme es notwendig machen, die eigenen Fähigkeiten auf dem neuesten Stand zu halten.

Trotz der zentralen Rolle der Aus- und Weiterbildung für die Gewährleistung von qualifizierten Arbeitskräften in Zeiten der Digitalisierung wird diesem Aspekt in der Forschung und der öffentlichen Debatte nicht immer genügend Beachtung geschenkt. Dieser Beitrag untersucht deshalb anhand der ODEC-Befragung den Einfluss der Digitalisierung auf den Bedarf an Aus- und Weiterbildungen. Mehr als 3900 Studierende und Diplomierende HF haben spezifische Fragen zum Thema Aus- und Weiterbildungsbedarf in Zusammenhang mit der Digitalisierung beantwortet.

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Erklärung: Diese Abbildung zeigt den Prozentsatz der Befragten, die zusätzliche Aus- und Weiterbildungen aufgrund der Digitalisierung als notwendig erachten, wobei nach Fachbereich im Jahr 2017 und im Jahr 2021 unterschieden wird. Der Fachbereich «Verkehr und Transport» wird aufgrund der geringen Anzahl von Antworten nicht gezeigt. N(2017/2021)=3519/3911.

Der Bedarf an Aus- und Weiterbildungen aufgrund der Digitalisierung hat abgenommen

Um zu verstehen, wie sich der digitalisierungsbedingte Weiterbildungsbedarf entwickelt hat, zeigt Abbildung 1 den Anteil der Befragten, die aufgrund der Digitalisierung zusätzliche Aus- und Weiterbildungen als notwendig erachten.  Auch wenn der Anteil insgesamt von 77 Prozent in 2017 auf 67 Prozent im Jahr 2021 gesunken ist, gehen auch 2021 noch zwei Drittel der Befragten davon aus, dass sie aufgrund der Digitalisierung zusätzliche Aus- und Weiterbildungen benötigen. Mit Ausnahme des Fachbereichs Soziales und Erwachsenenbildung ist in allen Fachbereichen ein deutlicher Rückgang zu beobachten. Weitere Auswertungen zeigen, dass es keinen grossen Unterschied zwischen Kader und Mitarbeitende ohne Kaderfunktion gibt. Zudem gibt es kein klares Muster nach Alter. Hingegen sehen Männer tendenziell eine höhere Notwendigkeit von Aus- und Weiterbildungen aufgrund von Digitalisierung als Frauen.

Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Befragten sich stärker auf Aus- und Weiterbildungen fokussiert haben, die sich mit den Folgen der pandemie-bedingten neuen Arbeitsweise ergeben. Beispielsweise könnte die wachsende Verbreitung des Home-Office die Befragten dazu bewogen haben, insbesondere Weiterbildungskurse für Software zu besuchen, die sich im Home-Office durchgesetzt hat. Eine andere Erklärungsmöglichkeit könnte sich auf Führungskräfte beziehen, die sich in Kaderkursen weitergebildet haben, um Teams, die hybrid oder asynchron arbeiten, besser leiten zu können. Der nächste Abschnitt befasst sich daher näher mit den Arten und Themen der Aus- und Weiterbildungen, welche durch die Digitalisierung notwendig werden.

Welcher Aus- und Weiterbildungsbedarf ergibt sich aus der Digitalisierung?

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Erklärung: Diese Abbildung zeigt den Prozentsatz der Befragten, die eine bestimmte Art von Aus- und Weiterbildung aufgrund der Digitalisierung als notwendig erachten. N=2616.

Zunächst betrachten wir die Arten von Aus- und Weiterbildungen, die nach Ansicht von Studierenden und Absolvierenden HF durch die zunehmende Digitalisierung erforderlich sind. Abbildung 2 zeigt, dass vor allem nicht-formale Weiterbildung erforderlich ist. Etwas weniger als 60 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass diese Art von Bildung aufgrund der Digitalisierung erforderlich ist. Es folgen mit einem klaren Abstand Bachelor- und Masterabschlüsse an Hochschulen, welche jedoch immer noch von 35 Prozent der Befragten genannt werden. Dabei dominieren Bachelor- und Masterabschlüsse an Fachhochschulen, während pädagogische Hochschulen und universitäre Hochschulen seltener genannt werden. Auch Ausbildungen der höheren Berufsbildung werden von knapp 30 Prozent der Befragten angeführt. Dabei machen Diplome einer Höheren Fachschule rund die Hälfte der Antworten aus. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Digitalisierung nicht nur nicht-formale Weiterbildung notwendig macht, sondern teilweise auch substanzielle Investitionen in formale Ausbildungen bedingt. Nur ein sehr geringer Anteil der Befragten hält einen zusätzlichen Abschluss auf Sekundarstufe II für notwendig. In diesem Fall kann man vermuten, dass es sich meist um eine Neuorientierung handelt.

Unterschiede zwischen den Fachbereichen der Befragten deuten darauf hin, dass nicht-formale Weiterbildungen aufgrund der Digitalisierung insbesondere in den Bereichen «Technik» sowie «Soziales und Erwachsenbildung» von Bedeutung sind. Bachelor- und Masterabschlüsse an Hochschulen werden besonders oft von Befragten der Fachbereiche «Wirtschaft» sowie «Gastgewerbe, Tourismus und Hauswirtschaft» genannt. Hingegen sind Ausbildungen der höheren Berufsbildung im Fachbereich «Gesundheit» überdurchschnittlich verbreitet.

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Erklärung: Diese Abbildung zeigt den Prozentsatz der Befragten, die eine Aus- und Weiterbildung in einem bestimmten Thema aufgrund der Digitalisierung als notwendig erachten. N=2616.

Betrachten wir nun die Themen der Weiterbildungen, die aufgrund der Digitalisierung erforderlich sind. Abbildung 3 zeigt den Anteil der Befragten, die aufgrund der Digitalisierung eine Aus- oder Weiterbildung in einem bestimmten Thema als notwendig erachten.² Wenig überraschend ist, dass «Informatik» am häufigsten angegeben wird. Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, dass eine Aus- oder Weiterbildung im Bereich der «Informatik» aufgrund der Digitalisierung notwendig ist. Interessant ist jedoch, dass die Digitalisierung zudem auch Aus- und Weiterbildungen in «Kaderkursen» (mehr als 40%) sowie in «Sprachen» und «Persönlichkeitsbildung» (je rund 35%) notwendig macht. Danach folgen Aus- und Weiterbildungen in «Finanzen und Verkauf», wobei rund ein Fünftel der Befragten angibt, dass sie aufgrund der Digitalisierung zusätzliche Aus- und Weiterbildungen in diesem Thema benötigen.

Weitere Datenauswertungen zeigen, dass es hinsichtlich der verschiedenen Themen nur kleine Unterschiede zwischen verschiedenen Fachbereichen des HF-Studiums gibt. Aus- und Weiterbildungen zum Thema «Informatik» und «Sprachen» sind grundsätzlich in allen Fachbereichen sehr verbreitet. Zudem sind fachbereichsspezifische Themen in den jeweiligen Fachbereichen übervertreten. So werden im Fachbereich «Gesundheit» überdurchschnittlich oft Aus- und Weiterbildungen in Bereich «Gesundheit» genannt, im Fachbereich «Soziales und Erwachsenbildung» überdurchschnittlich viele Aus- und Weiterbildungen zum Thema «Pädagogik», und im Fachbereich «Technik» ist das Thema «industrielle Produktion» besonders oft ausgewählt.

Zusammenfassung

Mehr als zwei Drittel der befragten HF-Studierenden und -Absolvierenden denken, dass die Digitalisierung zusätzliche Aus- und Weiterbildungen notwendig macht. Nicht-formale Weiterbildungen werden als Bildungsform am häufigsten genannt, aber auch die Hochschulbildung und höhere Berufsbildung sind relativ oft aufgeführt. Die Digitalisierung macht insbesondere Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Informatik, Kaderkurse, Sprachen und Persönlichkeitsbildung notwendig.

Dabei ist zu beachten, dass diese Ergebnisse nicht notwendigerweise repräsentativ für die schweizerischen Arbeitskräfte sind, sondern sich vor allem auf Personen mit einen HF-Abschluss beziehen. Diese Erkenntnisse sind folglich insbesondere für die unterschiedlichen Akteure auf HF-Ebene von Bedeutung. Zudem greifen sie im Zusammenhang mit der Digitalisierung ein höchst relevantes Thema auf, das in vielerlei Hinsicht noch zu wenig untersucht ist.

¹ Siehe ODEC Bulletin 4|2021 und Bulletin 1|2022
² Diese Themen wurden aus dem «Mikrozensus Aus- und Weiterbildung (MZB)» des BfS übernommen.

** Professur für Bildungssysteme, ETH Zürich