Interview mit Dr. Theodoros Koutroubas – Politischer Berater von EurEta
Praxisorientierte Fachkräfte der Tertiärstufe und die Europäische Union
Dr. Theodoros Koutroubas*, Political Advisor von EurEta, gibt in diesem Interview Auskunft.
Welche Rolle nimmt EurEta in der Tertiärstufe der Europäischen Union ein?
EurEta steht für die Europäische Vereinigung der praxisorientierten Fachkräfte mit höherer Bildung. Der ODEC ist bei EurEta durch EurEta-CH vertreten und nimmt eine führende Rolle ein. EurEta dient als kollektive Stimme der Fachkräfte. Jedes Mal, wenn die Europäische Kommission, das Parlament und der Rat Themen über die praxisorientierten Fachkräfte mit höherer Bildung diskutieren, bringen wir unsere Interessen ein. EurEta bringt durch die Registrierung von Fachleuten aus unterschiedlichen nationalen Bildungssystemen die verschiedenen Ausbildungen zusammen.
Wie waren die EurEta-Mitglieder (Professionals und Ingenieure) auf diese Krise vorbereitet?
Während des ersten Lockdowns herrschte eine schwierige und unklare Situation für die EurEta-Fachleute, als die Unternehmen in vielen Ländern vorübergehend geschlossen wurden, jedoch mit Hilfe von Sicherheitskonzepten bald wieder öffnen durften. So konnten die EurEta-Ingenieure und praxisorientierten Fachkräfte ihre wichtige Arbeit fortsetzen und erwiesen sich als zuverlässige Mitarbeiter. Schliesslich bieten die bei EurEta registrierten Fachleute einen hochwertigen Service und sind wichtig, um die durch die Pandemie verursachten Herausforderungen zu bewältigen.
Inwieweit hat die Krise die Arbeit Ihrer Vereinigung gestört?
Die Vereinigung EurEta ist nahtlos zu digitalen Gesprächen und Treffen übergegangen. Dennoch kann der fehlende Kontakt mit den Mitgliedsorganisationen nicht vollständig durch Videokontakte ersetzt werden. Gleiches gilt für Kontakte mit der Europäischen Kommission und anderen Institutionen. Dafür konnten Treffen spontaner abgehalten werden, ohne Reisekosten, -zeit und -arrangements zu verursachen.
Hat dies EurEta den EU-Behörden als Gesprächspartner nähergebracht?
Zweifelsohne. EurEta bringt die kollektive Stimme der repräsentierten Fachkräfte jedes Mal in die Europäische Kommission, das Parlament und den Rat ein, wenn für uns relevante Themen diskutiert werden. Trotz der Krise ist es uns gelungen, die Anliegen unserer Berufsangehörigen auf die höchste Ebene der europäischen Institutionen zu bringen.
Inwieweit entsprachen die Antworten der europäischen Behörden den Bedürfnissen des Berufsstandes, den Sie vertreten?
In ihren Antworten unterstrichen die Präsidenten der europäischen Institutionen die Bedeutung des Sektors der praxisorientierten Fachkräfte. Sie erkennen an, dass diese eine wichtige Rolle in unseren Volkswirtschaften spielen. Sowohl bei der Schaffung von Arbeitsplätzen als auch beim Wirtschaftswachstum.
Glauben Sie, dass dies eine wichtige Entwicklung in der Wahrnehmung der europäischen Behörden ist? Ist die praxisorientierte tertiäre Bildung ein Thema in der EU-Kommission?
In seinem Schreiben an Urs Gassmann, dem Präsidenten von EurEta, erklärte EU-Kommissar Nicolas Schmit, dass die EU die Kompetenzen in den Mittelpunkt ihrer Agenda stelle. Schmit wies darauf hin, dass der Aktionsplan der Europäischen Säule sozialer Rechte, den seine Institution kürzlich angenommen hat, Investitionen in Kompetenzen und Bildung beinhaltet. Er vertrat auch die Ansicht, dass der Pakt für Kompetenzen zur Verstärkung der Bemühungen um «Upskilling» und «Reskilling» die Entwicklungen in unserem Sektor weiter unterstützen wird.
Welches sind die wichtigsten kommenden EU-Reformen, die sich auf die EurEta-Professionals und -Ingenieure auswirken?
Die Europäische Kompetenzagenda legt Ziele fest, die bis 2025 erreicht werden sollen. Dieser Fünfjahresplan soll Einzelpersonen und Unternehmen dabei helfen, mehr und bessere Kompetenzen zu entwickeln und diese zu nutzen. Nämlich durch die Stärkung einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit, wie sie im Europäischen Green Deal festgelegt ist, durch die Gewährleistung sozialer Gerechtigkeit und die Umsetzung des ersten Grundsatzes der europäischen Säule «soziale Rechte» in die Praxis. Die Ergebnisse sind vielfältig, wie beispielsweise der Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung und lebenslangem Lernen für alle Menschen überall in der EU und der Aufbau von Widerstandsfähigkeit, um auf Krisen zu reagieren, basierend auf dem Gelernten während der Covid-19-Pandemie.
Am 9. Juli 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung, in der sie eine Bestandsaufnahme vornahm und eine Reihe von Empfehlungen zur Reform der Regulierung freiberuflicher Dienstleistungen aktualisierte. Die Kommission plant, diese Empfehlungen weiterzuverfolgen, indem sie die Massnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich genau beobachtet und den ständigen Dialog mit den Interessengruppen, insbesondere über ihre Expertengruppen, fortsetzt. Die Fortschritte bei den Reformen oder das Ausbleiben von Reformen werden auch ein wiederkehrender Schwerpunkt des Dialogs mit den Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters und der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit sein. In Fällen, in denen nationale Vorschriften eindeutig gegen EU-Recht verstossen, wird die Kommission mit den betreffenden Mitgliedstaaten in Kontakt treten und falls erforderlich Durchsetzungsmassnahmen einleiten. Die Kommission beabsichtigt, die Reformempfehlungen weiterhin zu aktualisieren, wenn dies notwendig und angemessen ist. Die Möglichkeit, zusätzliche Indikatoren zu entwickeln und den Anwendungsbereich auf andere wirtschaftlich wichtige Berufe auszudehnen, wird ebenfalls geprüft werden.
Die Empfehlungen und ihre Folgemassnahmen ergänzen die in der aktualisierten neuen Industriestrategie 2020 angekündigten Massnahmen. Diese Massnahmen könnten sich auf ähnliche Wirtschaftsbereiche beziehen und werden die Durchlässigkeit des Binnenmarktes erleichtern, auch durch die Erkundung neuartiger Ansätze, die im Dialog mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern zu entwickeln sind, insbesondere durch eine Bewertung der Vorteile harmonisierter Normen im Dienstleistungsbereich, wo diese einen Mehrwert schaffen könnten.
Was erwarten Sie noch?
Die hochrangigen Vertreter, mit denen wir während der Krise diskutiert haben, erläutern die Bedeutung von Qualifikationen und Mobilität innerhalb des EU-Binnenmarktes deutlich. Wir sind der Meinung, dass ihre Antworten ein recht hoffnungsvolles Zeichen für unsere Fachleute und für die jungen Leute sind, die eine praxisorientierte Karriere anstreben. Aber jetzt, wo die eigentliche Arbeit beginnt, hoffen wir auf konkrete Massnahmen, die mit der vorherigen Kommission brechen werden. EurEta wird alle Entwicklungen aktiv verfolgen.
Wie sehen Sie Ihren Beruf in der Zukunft; eine Rückkehr zum normalen Leben oder eine tiefgreifende Veränderung der Gewohnheiten?
Beides. Ich glaube, dass wir zu unserem normalen Leben zurückkehren werden, aber gleichzeitig gibt es neue Gewohnheiten, die uns erhalten bleiben, auch was die Digitalisierung und neue Arbeitsformen betrifft. Hoffentlich wird auch die Tatsache, dass sich die praxisorientierten Fachkräfte wirklich als eine Säule im Kampf gegen die Pandemie erwiesen haben, ihre Stellung in der Gesellschaft verändern. Es ist notwendig, sie besser in den sozialen Dialog und auf europäischer Ebene einzubeziehen.
Wie geht es weiter mit dem Titel «EurEta Professional» und/oder «EurEta Engineer»?
Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die Welt eng vernetzt ist, weshalb auch international vergleichbare Titel von Vorteil sind. Für Arbeitgeber und Geschäftspartner sollen die EurEta-Titel sichtbar machen, dass es sich hier um praxisorientierte Fachleute mit höherer Bildung handelt. Als Unterscheidungsmerkmal dient der EurEta Professional und für die technischen Abschlüsse der EurEta Engineer.
Was empfehlen Sie Fachleuten und Ingenieuren aus verschiedenen Ländern, die nicht in EurEta vertreten sind, und warum?
Fachleute, die eine praxisorientierte Tertiärbildung absolvieren, sollten in jedem Land Verbände gründen und sich für ihre Interessen im Inland und über EurEta auf internationaler Ebene einsetzen. Dies gilt speziell für Abschlüsse, die nicht zum Bologna-System gehören. In vielen Ländern machen Fachleute auf der tertiären Ebene ihren Abschluss und manchmal mit sehr länderspezifischen Titeln, die ausserhalb des Landes nicht bekannt und zuordenbar sind. Wenn es noch keinen Landesverband gibt, können sich einzelne Fachleute direkt der internationalen Sektion anschliessen. EurEta macht die individuelle Ausbildung auf internationaler Ebene vergleichbar und verständlich. EurEta, das sind eindeutig praxisorientierte Fachleute mir höherer Bildung.
Originaltext in Englisch auf www.eureta.org
*Prof. Dr. Theodoros Koutroubas ist Assoziierter Professor an der Katholischen Universität Löwen für «Kommunikation – Politisches Marketing und Lobbying». Er ist politischer Berater von EurEta und ausserdem Generaldirektor und leitender politischer Berater von CEPLIS.