«Den Fokus auf Selbständigkeit und HF-Diplom zu legen – ein Entscheid, den ich keine Sekunde bereue»

joey tafanalo

Joely Tafanalo zieht sein Ding durch, scheut keine Risiken und verbindet zeitweise die Arbeit mit den Vorzügen des karibischen Lebens. 
Sein Lebenslauf gestaltet sich spannend und zeichnet sich durch Power, Entschlusskraft und Flexibilität aus. 

Mit Joely Tafanalo* sprach Jsabelle Tschanen

Joely Tafanalo, Sie haben 2009 Ihre eigene Firma «Toughmedia» gegründet. Was bieten Sie an?

Die Toughmedia bietet Visuelle Kommunikation für digitale Medien sowie Schulung und Beratung für die marktführenden Kreativ-Tools an. Zu Beginn wirkte ich als Leiter DPT-Werkstatt an der HSLU Design & Kunst und baute daneben mein schweizweites Kunden- und Partnernetz auf. Die vollumfängliche Selbständigkeit startete mit dem HR-Eintrag Anfang 2012 und Beginn des HF-Studiums in Bern an der Schule für Gestaltung.

Ein Start in die Selbständigkeit und gleichzeitig ins HF-Studium klingt streng. Wie konnten Sie Studium, Geschäft und Privatleben unter einen Hut bringen?

Das war eine Knacknuss. Es zeichnete sich schnell ab, dass Selbständigkeit, Teilzeitjob und Studium zusammen mir alles abverlangen würden. Im Gegensatz zu Mitstudierenden wählte ich das Risiko und kündigte meinen Brotjob um mich auf Selbständigkeit und Diplom zu fokussieren. Ein Entscheid, den ich keine Sekunde bereue. Das Privatleben – da will ich nichts beschönigen – gerät während sechs Semestern sowieso in den Hintergrund.

Was war Ihre Motivation sich selbstständig zu machen?

Verschiedene Faktoren. Nach Stationen in der Druckvorstufe und klassischen Werbeagenturen wuchs das Bedürfnis nach mehr Kundennähe und Kreativität. Zudem wurde ich intern häufig um Tipps & Tricks gefragt und die Erfahrungen als Ausbildner und ÜK-Kursleiter bestärkten mich, vermehrt in der Wissensvermittlung tätig zu sein.

Wie hat Ihnen die Weiterbildung als Multimedia Producer weitergeholfen?

Rückblickend habe ich diese Weiterbildung eher spät, am Ende der «Multimedia-Ära» absolviert. Trotzdem profitiere ich noch heute von der breiten technischen Grundlage, welche wir damals vermittelt bekommen haben. Print kannte ich schon, jedoch waren Audio, Video, 3D und Web noch spannendes Neuland.

Und welche Überlegungen haben Sie zum Studium HF-Kommunikationsdesign geführt?

Mit dem Erscheinen von iPad & Co wuchs das persönliche Interesse an Gestaltungskompetenzen für digitale Medien. Aber auch Kunden verlangten vermehrt nach Lösungen. Die Konzeption und Kreation für Bildschirm-Anwendungen hatte gegenüber den statischen Drucklayouts einen besonderen Reiz. Anders als bei der letzten Weiterbildung wollte ich diesmal den Beginn einer Ära miterleben und mitgestalten. So startete ich gleich mit dem zweiten IAD-Lehrgang.

Hat Sie das HF-Studium weitergebracht?

Dank dem HF-Studium konnte ich Vorkenntnisse verfestigen und bestätigen. Vor allem aber durfte ich Neues rund um Konzeption, Technologie, Interaktion und Workflows erlernen. Teamwork und methodisches Vorgehen waren im Studium grossgeschrieben. Auch das persönliche Netzwerk wurde dadurch bereichert. Dieses Wissen und nicht zuletzt der Titel haben mir Türen zu Kunden und Partnern geöffnet. Heute habe ich die Ehre, beispielsweise in Basel und Bern auf HF-Stufe diverse Mandate innezuhaben.

Wurde Ihr HF-Titel jemals in Ihrem Arbeitsumfeld in Frage gestellt?

Als «Community Professional» und freier Solutions Consultant für Adobe Systems habe ich Kontakte im benachbarten Ausland sowie in den USA. Dort sind Eidgenössische Titel natürlich weder bekannt noch relevant. Der Titel «Professional Bachelor ODEC» half da schon öfters beim Networken. Bei Neukontakten in der Romandie und der Deutschschweiz ist «HF» ein Begriff und sogar vertrauensbildend.

Was empfehlen Sie angehenden HF-Studierenden?

Wie vorgängig angedeutet, kann das Privatleben bisweilen unter den Schultagen, Projektwochen und Lernweekends etwas leiden. Hier hilft ein verständnisvolles, unterstützendes Umfeld. Wer die Komfortzone vorzieht, sollte neben dem Studium eher eine 60- bis 80-% Anstellung suchen.

Noch eine Frage zu den vergangenen zwei Jahren; hat die Covid-19-Krise Ihr Leben verändert?

Heute spreche ich bewusst von der Covid-Chance. Die Auswirkungen nach Februar 2020 waren fatal. Innert Wochen verlor ich – wie viele Kollegen und Kolleginnen im In- und Ausland – einen Grossteil der geplanten Projekte und Schulungen. Dies, weil meine Aktivitäten vorwiegend an Marketing-Budgets geknüpft sind. Nach der Schockstarre begann aber eine Phase der Neuorientierung und Analyse, wie eine solche Negativ-Impact künftig abgefedert und besser gemeistert werden kann. Im Frühjahr erhielt ich dann von langjährigen Freunden aus der IT-Branche einen kleinen Interactiondesign-Auftrag. Aus dieser Zusammenarbeit entstand erfreulicherweise ein Arbeitsverhältnis. Seither bin ich also selbständig und Teil des tollen Teams von ajila AG.

Sie erlebten eine bewegte Zeit. Wie erhalten Sie im Allgemeinen Ihre Work-Life-Balance?

Die Medienbranche war traditionell immer in Bewegung. Doch die letzte Zeit war für alle mehr bewegt als gewünscht. Ich versuche ganzheitlich ein Gleichgewicht zu schaffen ohne Arbeit und Leben klar zu trennen oder in Schwarz-Weiss zu denken. Schon ein Waldspaziergang im vollen Arbeitstag wirkt Wunder. Am meisten angetan haben es mir jedoch «Workations»; bereits zwei Mal habe ich für jeweils mehrere Wochen meinen Lebensinhalt auf eine Insel verlegt und die Arbeit mit den Vorzügen des karibischen Lebens verbunden.

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Als Mensch selbstverständlich eine rasche und nachhaltige Befriedung der weltweiten Krisenherde. Beruflich wünsche ich mir mehr echte Diversität in Schweizer Firmen. Die Repräsentation von Geschlechtern, kulturellen Hintergründen und Altersgruppen ist auf allen Stufen wichtig und sollte unsere Gesellschaft widerspiegeln.


*Steckbrief

Name: Joely Tafanalo

Jahrgang: 1977

Wohnort: Luzern

ODEC-Mitglied: seit 2015

Aktuelle berufliche Tätigkeit: Selbständiger Kommunikationsdesigner und -trainer, UX/UI Designer bei ajila AG

Lehre: Typograf EFZ

HF-Studium: Dipl. Gestalter HF Kommunikationsdesign/Interaction Design

Weiterbildung: Multimedia Producer SAE

Hobbys: Inselreisen, Skifahren, Ornithologie, Camping u.v.m.