Die Karriere eines Visionärs

Schlup Raphael

Der innovative Unternehmer und Wissenschaftler Raphael Schlup beschreibt seinen Weg vom HF-Studium zum Doktortitel und reflektiert über sieben Jahre voller persönlicher und beruflicher Meilensteine – von der Gründung seiner Firma über die Unentbehrlichkeit der Weiterentwicklung und die Wichtigkeit, stets innovative Lösungen zu finden. 

Mit Dr. Raphael Schlup sprach Jsabelle Tschanen

 

Vor sieben Jahren hatte der ODEC bereits das Vergnügen eines Gesprächs (s. Interview Bulletin 2-2017). Was waren seither deine wichtigsten Meilensteine?

Im Frühjahr 2024 konnte ich mein Doktoratsstudium an der International School of Management (ISM) in Paris abschliessen. Ich habe ein zweites Unternehmen gegründet, die Firma coscomp (www.coscomp.com), in der wir innovative Methoden und Lösungen im Bereich Value and Cost Engineering entwickeln. Das zentrale Value and Cost Engineering Framework dafür haben wir während meiner Dissertation weiterentwickelt und in verschiedenen Unternehmen getestet und eingesetzt. Zudem hat meine zweite Tochter das Licht der Welt erblickt.

Warum hast du dich entschieden, deinen PhD in Paris zu machen, anstatt an einer Universität in der Schweiz?

Erstens war es mir finanziell nicht möglich, ein vierjähriges Vollzeitstudium an einer Universität in der Schweiz zu absolvieren. Einerseits hatte ich bereits eine kleine Familie und andererseits wollte ich meine bisherige berufliche Laufbahn nicht für ein Vollzeitstudium opfern und damit finanzielle Einbussen in Kauf nehmen. Zudem ist ein berufsbegleitendes Doktoratsstudium in der Schweiz zurzeit (noch) nicht möglich. Eine weitere Hürde war das Fehlen eines konsekutiven Masterabschlusses. Zudem wurde diskutiert, dass der HF-Abschluss in der Schweiz kein offizieller Bachelor-Abschluss darstellt.

Hat dir unser Verbandstitel «Professional Bachelor ODEC» bei der Zulassung zum PhD-Studium geholfen?

Der Verbandstitel «Professional Bachelor ODEC» hat mir im Ausland bei der Aufnahme an der ISM International School of Management (ISM) in Paris massiv geholfen, meine Aus- und Weiterbildungen transparent und klar darzustellen. Ohne ihn wäre es mir nicht möglich gewesen, mich für ein Doktoratsstudium an der ISM in Paris zu bewerben. Erwähnenswert ist auch, dass es bei der Bewerbung an der ISM in Paris nie eine Diskussion über den Bachelor-Abschluss gab. Sicherlich war es auch ein Vorteil, den EMBA an der Universität Liechtenstein absolviert zu haben, da ich dadurch das strukturierte wissenschaftliche Arbeiten vertiefen konnte, was ein wesentlicher Vorteil für das Doktorat darstellte.

Was genau umfasst deine heutige berufliche Tätigkeit und welche Herausforderungen sind damit verbunden?

Aktuell bin ich als selbstständiger Projektleiter Value and Cost Engineering (VCE) in verschiedenen Industrieunternehmen im DACH-Raum tätig. Dabei unterstützen wir als «coscompVCE-Team» unterschiedlichste Entwicklungsteams während des Produktentwicklungsprozesses von innovativen und komplexen Produkten oder Systemen. Es ist unsere Aufgabe, die erreichbaren Zielkosten mit dem Management abzustimmen und während des gesamten Produktentwicklungsprozesses im Auge zu behalten. Dies immer mit dem Ziel, möglichst niedrige Herstellkosten und einen hohen Wert des Produktes für den zukünftigen Kunden oder Anwender zu erreichen. Die dazugehörige VCE-Methodik bzw. das sogenannte VCE-Framework haben wir in den letzten Jahren bei coscomp entwickelt und über meine Dissertation wissenschaftlich fundiert erprobt.

Hatten dein Master- und PhD-Abschluss einen Einfluss auf deine unternehmerischen Aktivitäten?

Mein EMBA-Studium an der Universität Liechtenstein hat meine unternehmerischen Aktivitäten massgeblich beeinflusst, da ich das Thema «Unternehmertum» oder im Englischen «Entrepreneurship» erst dadurch richtig kennengelernt habe. Der Traum, selbst ein Unternehmen zu gründen und praktische Probleme zu lösen, wurde während des Studiums immer stärker. Dazu trug auch die Möglichkeit bei, mit einem Team bei ThyssenKrupp Presta in Liechtenstein ein innovatives, elektromechanisches Lenksystem zu entwickeln. Dabei mussten wir klare Kostenziele erreichen und die Entwicklung mit einer vorgegebenen Qualität innerhalb zweier Jahre realisieren und auf den Markt bringen. Interessanterweise wollte damals kein europäischer Automobilkonzern unsere elektromechanischen Lenksysteme kaufen, da wir noch keinen europäischen Kunden als Referenz vorweisen konnten. Also mussten wir uns nach anderen Märkten und Kunden umsehen. Wir sind mit unseren Systemen nach China und Indien gegangen und haben sie dort erfolgreich verkauft. In dieser Phase mussten wir sehr unternehmerisch und kreativ denken und die Entwicklungs- und Produktionskosten niedrig halten. Aus dieser Situation heraus begann ich verschiedene Value-und-Cost-Engineering-Ansätze zu entwickeln und gründete 2019 mit meinem Geschäftspartner das Unternehmen coscomp. Durch das Doktoratsstudium konnte ich das Thema «Innovation und Entrepreneurship» weiter vertiefen und schliesslich meine Dissertation zum Thema «Value and Cost Engineering» schreiben.

Im letzten Interview hast du das HF-Studium als wichtigen Schritt bezeichnet. Kann es optimiert werden?

Das HF-Studium war auf jeden Fall ein sehr wichtiger erster Schritt nach der Lehre als Polymechaniker und ich kann es allen Absolvierenden einer Berufslehre nur wärmstens empfehlen. Weshalb? Eine Ausbildung an einer Höheren Fachschule in der Schweiz bietet eine praxisnahe Ausbildung, die eng mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes verknüpft ist und den direkten Einstieg in verantwortungsvolle Berufsfelder ermöglicht. Zudem profitieren die Studierenden von der Kombination von theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung sowie von der Möglichkeit, berufsbegleitend zu studieren.

Aus meiner bisherigen Erfahrung würde ich das praxisorientierte Studium dahingehend optimieren, dass wissenschaftliches Arbeiten in einem praxisorientierten Kontext viel tiefer vermittelt wird. Dies geschieht derzeit noch viel zu wenig. Dabei wäre die Verknüpfung mit praxisorientierter Forschung wie z. B. «Design Science Research», die praxisorientierte Problemstellungen lösen will, für Studierende einer Fachhochschule prädestiniert. Der Vorteil von zum Beispiel «Design Science Research» liegt darin, dass durch die Entwicklung und Evaluation von Artefakten (Konzepte, Frameworks oder Methoden) konkrete Lösungen für reale Probleme geschaffen werden, die sowohl praktische Relevanz als auch wissenschaftlichen Mehrwert bieten. Es verbindet Theorie und Praxis, indem es innovative Ansätze hervorbringt und gleichzeitig systematisch neues Wissen generiert.

Entspricht ein Studium mit integriertem Forschungsanteil nicht eher einer Fachhochschulausbildung (FH)?

Hier geht es mir vor allem um die grosse Praxiserfahrung, die die HF-Studierenden mitbringen und das damit verbundene Innovationspotenzial, das viel zu wenig gesehen wird. Kombiniert man die praktische Erfahrung mit z. B. dem Ansatz des «Design Science Research» können sehr relevante Lösungen für reale Probleme entstehen. Dies stelle ich immer wieder bei der Betreuung von Diplomarbeiten fest. Die grössten Schwierigkeiten haben die Studierenden in der korrekten Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik. Würde dies bereits während des Studiums richtig vermittelt, könnten eine Vielzahl von methodisch strukturierten, innovativen und praxisorientierten Lösungen mit hoher Relevanz für Unternehmen entwickelt werden. Vergleicht man dazu die Profile von Absolvierenden einer Höheren Fachschule (HF) und einer Fachhochschule (FH), so liegt der Unterschied lediglich in den stärkeren theoretisch-methodischen Ansätzen, die an einer Fachhochschule verfolgt werden, sowie in der zeitlichen Komponente der Forschungsarbeit. Die Relevanz der Problemlösung für die praktische Anwendung in den Unternehmen sollte daher zukünftig an den Höheren Fachschulen überwiegen, da die Studierenden das Studium berufsbegleitend absolvieren und somit selbst als Experten angesehen werden können. Den Studierenden eines Vollzeitstudiums an einer Fachhochschule oder Universität fehlt schlichtweg die Praxiserfahrung.

Wie hast du dir schliesslich die Forschungsmethodik angeeignet?

Die Grundlagen der Forschungsmethodik bzw. des wissenschaftlichen Arbeitens wurden mir während des EMBA-Studiums an der Universität Liechtenstein sehr intensiv vermittelt. Die spezifische Forschungsmethodik der «Design Science Research» wurde mir dann an der ISM in Paris von meinem Doktorvater gezielt empfohlen. Allerdings habe ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so intensiv mit dieser praxisorientierten Forschungsmethodik auseinandergesetzt, wie ich es im Rahmen meiner Dissertation getan habe. Damals wurde viel mehr die Design- Thinking-Methode als ein kreativer und nutzerzentrierter Problemlösungsansatz in den Fokus gestellt, welcher in iterativen Schritten Empathie, Ideengenerierung und Prototyping kombiniert, um innovative Lösungen zu entwickeln.

Du bist Dozent an der MBSZ und der HSO und wurdest von Schweizer und von internationalen Universitäten und Fachhochschulen für Lehrtätigkeiten angefragt. Was macht dich als Dozenten so gefragt?

Aus meiner Sicht würde ich sagen, dass meine Expertise als Dozent auf einer Kombination aus fundierter wissenschaftlicher Ausbildung, praktischer Erfahrung und didaktischer Kompetenz beruht. Ich versuche, einen praxisnahen, interaktiven Unterrichtsstil umzusetzen und komplexe Inhalte greifbar und anwendbar zu machen. Ebenso würde ich sagen, dass ich es verstehe, wissenschaftliche Theorie mit realen Problemstellungen oder Herausforderungen zu verknüpfen, was besonders für praxisorientierte Studierende wertvoll ist. Des Weiteren versuche ich immer, die Studierenden als «Stakeholder» zu sehen und möchte so einen nachhaltigen und positiven Eindruck hinterlassen. Es ist sicherlich auch hilfreich, immer wieder innovative Lehrmethoden einzusetzen oder auszuprobieren und so den Unterrichtsstil weiterzuentwickeln und kreativ zu gestalten.

Wäre das eine Option für dich, dein Wissen zukünftig vermehrt weiterzugeben?

Das wäre auf jeden Fall eine Option für mich. Es gibt auch schon Überlegungen in diese Richtung. Im Moment fehlt mir «noch» die Zeit, diese Idee weiterzuverfolgen. Im Moment arbeite ich intensiv an
der Weiterentwicklung meines Value and Cost Engineering Frameworks / Methodik
mit zwei Industrieunternehmen aus dem DACH-Raum. Es wäre hilfreich, wenn es in Zukunft vonseiten der Höheren Fachschulen ein längerfristiges Interesse oder gewisse Bestrebungen gäbe, dieses Thema weiterzuverfolgen. Bei Interesse bin ich jederzeit offen und bereit für ein Austausch zum Thema.

Seit sieben Jahren setzt du dich im Zentralvorstand des ODEC für die Stärkung des HF-Bereichs ein. Welche Erfolge wurden in dieser Zeit erzielt?

Der ODEC hat in den letzten sieben Jahren wichtige Erfolge erzielt. Die Statuten wurden modernisiert (2022), um den Verband fit für die Zukunft zu machen. Zur Verbesserung der Kommunikation wurde die Präsenz in den sozialen Medien verstärkt. Zudem engagiert sich der ODEC aktiv in der Begleitgruppe des SBFI zur Positionierung der HF und stellt einen kontinuierlichen Informationsfluss zu den politischen Entscheidungsträgern sicher. Dies war mir persönlich seit meinem Eintritt in den Zentralvorstand ein grosses Anliegen. Der ODEC hat in den letzten sieben Jahren die Anerkennung der HF-Abschlüsse auf nationaler und internationaler Ebene entscheidend gestärkt, zum Beispiel durch die verstärkte Bekanntmachung des Titels «Professional Bachelor ODEC». Dieser hat auch damals mir persönlich geholfen, ein Studium im Ausland zu absolvieren. Zudem fördert der Verband die politische Unterstützung, die internationale Vergleichbarkeit, um die Position von HF-Absolvierenden im In- und Ausland nachhaltig zu verbessern.

Wie vereinbarst du privat Familie, Studium, Unternehmensführung, Lehrtätigkeit und dein Engagement im Verband? Woher nimmst du deine Motivation und Kraft?

Es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen und meine Frau sowie meine beiden Töchter unterstützen mich sehr. Ebenso mein Umfeld im beruflichen Alltag. Hier ist mein langjähriger Freund und Geschäftspartner eine wichtige Bezugs-
person. Trotzdem gibt es am Ende immer Kompromisse, die man als Familie oder als Team eingehen muss, um gewisse Ziele zu erreichen, das habe ich aus meiner Zeit im Leistungssport gelernt. Allein schafft man es nicht, es steht immer ein Team hinter jedem Erfolg oder einer starken Leaderfigur. Diese sogenannten Opfer, die man bringen muss, werden oft nicht gesehen. So ist es für mich natürlich nicht selbstverständlich, dass meine Familie diese Opfer bringt und so bin ich auch froh und stolz, auf mein kleines Team zählen zu können, auch wenn ich nicht immer ganz einfach bin (lacht). Trotzdem ist es wichtig, die Balance zu halten und auch mal Nein sagen zu können, Pausen zu machen oder Prioritäten zu setzen, was mir nicht immer leichtfällt.

Meine Kraft und Motivation schöpfe ich aus meiner Leidenschaft für Wissen, Innovation, Unternehmergeist und der Möglichkeit, Menschen zu inspirieren und weiterzuentwickeln.

Welche Zukunftswünsche hast du?

Den Spass an meiner Arbeit nicht zu verlieren und mehr Zeit zu haben als 24Stunden am Tag (lacht), denn das ist das Kostbarste auf der Welt. Nein, Spass beiseite. Einer der wichtigsten Punkte ist die Gesundheit und gesund zu bleiben, für mich als Person, aber auch für meine Familie, sowie das Privileg, weiterhin meiner Leiden schaft nachgehen zu können, eigene Ideen umzusetzen und damit praxisorientierte Probleme für Unternehmen zu lösen, die einen klaren Mehrwert (Value) für Fachleute, Wissenschaftler oder Anwender bieten. Weiterhin selbstständig an meinen Forschungsthemen zu arbeiten und damit andere Menschen zu inspirieren bzw. positive Veränderungen zu bewirken. 


*Steckbrief

Name: Dr. Raphael Schlup
Jahrgang: 1986
Wohnort: Chur
ODEC-Mitglied: seit 2012
Aktuelle berufliche Tätigkeit: Value & Cost Engineering Experte / Innovator / Co-founder coscomp GmbH
Lehre: Polymechaniker mit Fachrichtung Stanz- und Kunststoffwerkzeugbau
HF-Studium: Maschinenbau (Mechanical Engineering) an der TEKO in Bern
Weiterbildung: EMBA in Entrepreneurial Management (Universität Liechtenstein), Doctor of Philosophy (PhD) in Entrepreneurship and Innovation
Hobbys: Reisen mit meiner Frau und den zwei Töchtern, Biken, Eishockey, Skifahren und Wandern